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Fliegen, Mücken, Ameisen oder Wespen – was uns stechen oder stören kann, entsorgen viele am liebsten ganz einfach mit der Zeitung oder Sprühdose. Aber welche Folgen hat dieser unachtsame Umgang mit Natur und Lebewesen? Und was bedeutet eigentlich das Leben einer Fliege?

Mit dieser Frage wurde der Insektizid-Hersteller Hans-Dietrich Reckhaus konfrontiert – und er beschloss, sein Unternehmen umzukrempeln. Im Murmann Verlag veröffentlichte er nun „Fliegen lassen„, die Geschichte einer außergewöhnlichen nachhaltigen Transformation.

Im Interview mit dem Murmann Magazin berichtet der Unternehmer, warum Veränderer ein dickes Fell brauchen – und warum Loslassen so hilfreich sein kann.

Herr Reckhaus, mit der Entscheidung, Insekten zu retten, haben Sie die Aufgabe Ihres Unternehmens mit einem Mal gewendet. Was braucht es für eine Einstellung, um so eine Transformation zu schaffen?

Erstmal eine Offenheit, sich überhaupt auf das Neue einzulassen. Lange bevor das Insektensterben von Forschung und Medien groß aufgegriffen wurde, haben wir angefangen Fliegen zu retten. Ausgerechnet als Insektizid-Hersteller. Da braucht es Konsequenz und oft genug auch ein dickes Fell, wenn man zum Beispiel als Herr der Fliegen betitelt wird…

Das klingt nach harter Kritik. Können Sie nachvollziehen, dass nicht alle das Überleben der Stubenfliege als so wichtig empfinden?

Ja klar, früher habe ich überhaupt nicht darüber nachgedacht, ob eine Fliege wichtig sein könnte. Ins Grübeln kam ich erst, als mich die Konzeptkünstler Frank und Patrik Riklin fragten: Was ist der Wert einer Fliege für Dich als Insektenbekämpfungsunternehmer?

Durch unsere gemeinsame Kunstaktion Fliegen retten in Deppendorf im Jahr 2012 habe ich mich intensiver mit dem ambivalenten Verhältnis zwischen Mensch und Insekt auseinandergesetzt. Das Forschen begann mir Spaß zu machen und irgendwann wurde mir bewusst: Jede Fliege zählt.

„Fliegen lassen“ ist der Titel Ihres neuen Buchs. Kürzlich machte die Rügenwalder Mühle Schlagzeilen, weil das Traditionsunternehmen erstmals mehr Gewinn mit Veggie-Produkten erzielte, als mit denen aus Fleisch. Haben Sie das Gefühl, dass das „Lassen“ nun im Trend liegt?

Das Loslassen hilft, das Ungesuchte zu finden. Die Rügenwalder haben sich ja auch auf ihre Tradition besonnen, um Innovation hervorzubringen. Sie sagen, weil sie Fleisch so lieben, machen sie es jetzt auch aus Pflanzen.

Meine Firma hat eine lange Expertise mit Insekten aufgebaut – wir drehen aber die Bedeutung von Insektenschutz. Schutz vor Insekten oder Schutz für Insekten? Der Trend geht durchaus zu Gewinn durch Sinn.

In Ihrem Buch schreiben Sie, dass Sie seit 2015 ein Viertel Ihres Umsatzes und über drei Viertel Ihrer Rendite verloren haben. Haben Sie Ihren Sinneswandel jemals bereut?

Das Geld interessiert mich dabei weniger, aber es gab natürlich schon Momente des Zweifels – nicht darüber, ob die Inhalte richtig sind, sondern darüber, ob man jemals mit diesen neuen Inhalten verstanden wird. Als Pionier in einer erzkonservativen Branche einen Weg einzuschlagen, den noch keiner ausprobiert hat, ist steinig und abenteuerlich. Aber ich würde es wieder tun.

Bei Ihrer Aktion „Fliegen Retten in Deppendorf“ haben Sie eng mit den Künstlern Frank und Patrik Riklin zusammengearbeitet. Nimmt die Kunst eine zu kleine Stelle in der Arbeitswelt ein?

Viel zu klein! Selber hatte ich auch lange keinen Zugang zur Kunst – das beschreibe ich auch im Buch. Als ich mich schließlich darauf einließ, hat sich mir eine ganz neue Welt eröffnet. Alle, die in der Wirtschaft nach Innovationen schreien, könnten ihr Glück finden im Dialog mit der Kunst.

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