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Auf keinem Kontinent der Welt ist der Stromverbrauch pro Kopf geringer als in Afrika. Insbesondere in den ländlichen Regionen Afrikas zieht Energiearmut der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung vor Ort sprichwörtlich den Stecker. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Afrikas Bevölkerung bis 2050 verdoppeln soll – auf dem Kontinent ist also eine Explosion der Nachfrage nach Strom zu erwarten, die die fragile örtliche Infrastruktur vor große Herausforderungen stellt.

Wie lässt sich eine universelle Versorgung mit Energie auf dem afrikanischen Kontinent sicherstellen? Und kann diese erhöhte Nachfrage klimafreundlich gedeckt werden? Solarenergie könnte – so Jörn Schaube – der Schlüssel zu einer nachhaltigen und universellen Energieversorgung auf dem afrikanischen Kontinent sein. Der Hamburger hat selbst lange in der internationalen Solarenergiebranche gearbeitet und hat vor einigen Jahren das Projekt „Brücken bauen mit der Sonne“ ins Leben gerufen, in dem engagierte Menschen – oftmals mit afrikanischem Hintergrund – zu Solarbotschaftern ausgebildet werden.

Im Interview spricht Jörn Schaube über Energiearmut in Afrika, die Hürden der Entwicklungshilfe und die Chancen der Solarenergie.

Herr Schaube, warum kann gerade Solarenergie „Brücken bauen“?

Die Verfügbarkeit von sauberer und bezahlbarer Energie ist die Grundlage für jegliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Dennoch ist es in Zeiten des globalen Klimawandels so, dass diese Energie und ihre Bereitstellung einerseits sauber, andererseits aber auch bezahlbar sein muss. Der afrikanische Kontinent ist vergleichsweise arm, aber zugleich unglaublich reich an solaren Ressourcen. Daher liegt es nahe, dass Solarenergie die Energieform der Zukunft für den Kontinent ist. Der Schlüssel, um diese Energieform für die Menschen vor Ort nutzbar zu machen, ist Bildung. Und das ist genau der Weg, den wir mit unserem Projekt „Brücken bauen mit der Sonne“ beschreiten. Wir möchten Ressourcen zur Verfügung stellen und Bildungsarbeit leisten, um Energiearmut nachhaltig überwinden zu können.

Jörn Schaube von "Brücken bauen mit der Sonne"
Jörn Schaube von „Brücken bauen mit der Sonne“ vor dem Kiini Institute in Kenia. Foto: Lennart Seeburg
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Sie bilden in Ihrem Projekt ehrenamtliche Solarbotschafter aus, die in Afrika selbst Solarprojekte vorantreiben sollen. Welche Qualifikationen muss ein Solarbotschafter mitbringen?

Im Vergleich zu allen anderen Erzeugungsmethoden von Energie ist Solartechnologie keine Raketenwissenschaft. Wir fangen deshalb in unseren Schulungen auf einem sehr grundlegenden Level an – wir haben deshalb auch keine expliziten Anforderungen an das Bildungsniveau der Teilnehmer, sondern vermitteln zunächst anwendungsbezogenes Basiswissen zu Solartechnik im afrikanischen Kontext. Neben dem rein technischen Fachwissen lassen wir deshalb auch den kulturellen Aspekt immer mit in die Schulungen einfließen.

Darauf aufbauend bieten wir in einem zweiten Schritt eine weiterführende, sehr viel technischere Schulung an, die Solarbotschafter befähigt, nicht nur die Kontexte und Nutzungsmöglichkeiten von Solarenergie zu kennen, sondern auch selbst Solarenergieanlagen zu planen, zu bauen und zu betreiben. Der Schwerpunkt des dritten Schritts liegt auf einem „Train the Trainers“, die dann als Multiplikatoren selbstständig Schulungen für Dritte durchführen können und ihr Know-how weitergeben – sie werden zu Solarbotschaftern.

„Dieser Fokus auf Empowerment und Selbstbestimmung unterscheidet uns von ‚traditioneller‘ Entwicklungshilfe.“

Selbstständigkeit ist ein gutes Stichwort. Gerade Entwicklungshilfeprojekten wird oft ein Helfersyndrom attestiert oder Neokolonialismus vorgeworfen. Was macht „Brücken bauen mit der Sonne“ anders?

Wir implementieren keine externe Lösung, die kaum auf lokale Gegebenheiten angepasst wird, sondern knüpfen unmittelbar an die Lebensverhältnisse vor Ort an. Dafür ist die Solarenergie ein wunderbares Vehikel. Sie braucht im Gegensatz zu fast allen anderen Erzeugungsformen kein Wasser, ist sehr kleinteilig und skalierbar. Solarenergie ist daher in fast jedem denkbaren Kontext anwendbar – sofern Eigeninitiative vorhanden ist. Dieser Fokus auf Empowerment und Selbstbestimmung unterscheidet uns von „traditioneller“ Entwicklungshilfe.

Wie finden Sie potenzielle Solarbotschafter?

Die alles entscheidende Frage ist: Inwiefern sind wir sichtbar und erkennbar? Wir wenden uns vor allem die lokalen afrikanischen Communitys, in denen sich große soziale Netze gebildet haben. Wenn wir hier einen Zugang haben und unser Anliegen glaubhaft und überzeugend vermitteln können, haben wir eine gute Chance diejenigen zu finden, die intrinsisch motiviert nachhaltige Entwicklung vorantreiben wollen.

Einblick in den Workshop von Foto „Brücken bauen mit der Sonne".
Einblick in den Workshop von „Brücken bauen mit der Sonne“. Foto: Lennart Seeburg

In welchen Ländern sind Sie bislang aktiv?

Wir haben aktuell drei Partnerprojekte in Afrika. Neben Projekten in Kenia und Tansania bauen wir gerade mit der NGO „Tierra Sol de Benin“ in Benin ein neues Modellprojekt auf. Dort lernen junge Menschen in landwirtschaftlicher Ausbildung einerseits, ihr Agrar-Know-how zu bündeln um ihre Erträge zu steigern. Andererseits werden sie aber auch befähigt, Solarenergie im landwirtschaftlichen Kontext anzuwenden und damit eigene Wertschöpfungspotenziale zu erschließen. Das Projekt spiegelt unsere Philosophie gut wider: Wir möchten bei der Steigerung der wirtschaftlichen Wertschöpfung unterstützen, also einen konkreten volkswirtschaftlichen Beitrag leisten. Und wir möchten zu einer Verbesserung der individuellen Lebenssituationen beitragen. Solarenergie stellt nicht nur Energie für Kommunikationsmittel zur Verfügung, sondern kann auch das individuelle Haushaltsbudget entlasten und schafft damit wiederum Freiräume für wirtschaftliches Handeln.

Was sind die größten Hürden bei der Umsetzung von Solarprojekten in den Partnerländern?

Wir bewegen uns natürlich in einem interkulturellen Umfeld – und hier ist es besonders wichtig, sich selbstkritisch zu hinterfragen, ob man nicht mit einem gewissen Bias auf die Welt schaut. Ich würde sogar sagen: Es steht außer Zweifel, dass wir das tun. Jeder hat seine eigene konkrete Sicht auf die Dinge, die maßgeblich durch Lebensrealitäten und Sozialisation bedingt ist – hier wirkt dann sozusagen die normative Macht des Faktischen. Und wir müssen uns einfach klar machen, dass die Partner, mit denen wir in Afrika kooperieren, vollkommen andere Lebensumstände haben als wir in Westeuropa. Dazu kommt die historische Komponente. Wir bewegen uns in einem Kontext, in dem es immer wieder zu Missverständnissen über die eigentlichen Intentionen der Akteure kommt. Deshalb ist es für uns besonders wichtig, von Anfang an Personen aus den afrikanischen Communities in unser Projekt miteinzubeziehen, weil diese Personen schlussendlich die viel glaubwürdigeren Botschafter unserer Idee und unseres Projekts sind als wir Westeuropäer.

Muss in der Entwicklungspolitik, gerade in der Energieversorgung, die Umweltpolitik zwangsläufig mitgedacht werden?

In Diskussionen um Entwicklung und Klima wird sich oft auf das sogenannte energiepolitische Dreieck – Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Klimafreundlichkeit – bezogen. In der öffentlichen Wahrnehmung war dieses Dreieck häufig eine Art magisches Dreieck, da davon ausgegangen wurde, dass eine Optimierung an zwei der drei Pole zu Lasten des dritten Pols ginge. Das Schöne an der Solartechnik ist: Es gibt kein Entweder-Oder. Aufgrund der technologischen Entwicklung und des Preisverfalls in den vergangenen Jahren ist Solartechnik ein wunderbarer Ansatz, um wirtschaftliche Entwicklung anzustoßen und die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern ohne dabei gleichzeitig den CO2-Fußabdruck zu erhöhen. Das heißt: Es ist die Verschmelzung von Klima-, Entwicklungs- und von Energiepolitik zu einem konsistenten Ansatz. Das wollen wir voranbringen.

„Im Bereich der weltweiten Energieversorgung ist deutlich Luft nach oben, gerade was das Investitionsvolumen angeht.“

In den Sustainable Development Goals (SDGs) haben sich die Vereinten Nationen zum Ziel gesetzt, bis 2030 weltweit für alle Menschen Zugang zu Strom zu gewährleisten. Studien zufolge sind aber weltweit immer noch mehr als eine Milliarde Menschen ohne Strom, davon ein Großteil in Afrika. Ist das Ziel des SDGs noch zu erreichen?

Im Bereich der weltweiten Energieversorgung ist deutlich Luft nach oben, gerade was das Investitionsvolumen angeht. In den vergangenen Jahrzehnten ging es in diesem Bereich vor allem um die Frage, welche Technologien gleichzeitig kostengünstig und effizienten Zugang zu Energie ermöglichen, ohne zu gravierenden ökologischen Mehrbelastungen zu führen. Die gute Nachricht ist allerdings: Dieses Thema haben wir mit der Solarenergie nicht mehr. Wir haben also alle technologischen Mittel zur Verfügung. Wichtig scheint mir im nächsten Schritt zu sein, die Kenntnis über diese Technologien aus Fachkreisen in die breite Öffentlichkeit zu tragen. Am Ende ist immer der Mensch in seiner Tatkraft der limitierende Faktor. Hier müssen wir eine besonders große Kontaktfläche mit dem Thema schaffen, um die Potenziale der Technologie auch gesellschaftlich zu heben.

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