Die letzten warmen Tage verwöhnen uns. Mit den Kulturtipps für September stimmen wir uns auf den Herbst ein.
Dunkel und melancholisch
„Brahms war schon zu meinen Teenagerzeiten mein Lieblingskomponist. Was ich bei Brahms so faszinierend finde, ist die immense Spannung, die in der Musik liegt.“ Wenn der Schweizer Pianist Benjamin Engeli über das Werk von Johannes Brahms spricht, dann liegt viel Bewunderung in seinen Worten. Nun hat er sein neues Album dem Komponisten gewidmet und sich damit einen Wunschtraum erfüllt. Mit den frühen Balladen op. 10, den reifen Rhapsodien op. 79 und den späten Intermezzi op. 117 sowie der Chaconne BWV 1004 von Johann Sebastian Bach, die Brahms für die linke Hand bearbeitet hat und die man selten zu hören bekommt, legt Engeli den Schwerpunkt auf ausgewählte Werke verschiedener Schaffensphasen des Komponisten. Dabei beweist der Pianist ein gutes Gespür für die Feinheiten der musikalischen Strukturen. Die Komplexität im Werk von Brahms präsentiert Engeli mit Natürlichkeit und erfrischender Klarheit. „Ich finde, es ist eine dunkle und melancholische Platte geworden, mit gelegentlichen wilden und eruptiven Ausbrüchen“, fasst der Schweizer sein Album zusammen – und wir stimmen zu.
Benjamin Engeli
Brahms
Hybrid SACD 2018
Mystisch und poetisch
Wer das Werk von Hartmut Lange noch nicht kennt, für den wird es höchste Zeit. Zeit, diese großartigen Novellen zu entdecken. Diese wunderbaren Texte, die sich zwischen Sein und Nichtsein, zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Hier und Dort, zwischen Gegenwart und Vergangenheit bewegen. Geschichten, für die der Autor bisweilen nur wenige Sätze braucht, um ein Gemälde zu zeichnen. Eine Beobachtung, ein Wetterleuchten, ein Ort reichen, um den Rahmen zu schaffen. Kein Wort zu viel schenkt er uns, und doch ist alles da. In seinem aktuellen Bändchen „An der Prorer Wiek und anderswo“ führt er uns von der Ostsee mit seiner Bäderarchitektur bis nach Rom, der ewigen Stadt. Beide Orte sind bevölkert von den Geistern der Vergangenheit, die im Hier und Jetzt für Verwirrung sorgen. Komplex in seiner Schlichtheit, poetisch und doch verdichtet, wirft uns Hartmut Lange mitten hinein in das „Unheimliche“, wie er es selbst nennt. Gespeist aus Erfahrungen im Krieg, in der DDR und schließlich aus dem Bruch, als er nach Westdeutschland kommt, ist das Leid des Autors ein Gewinn für uns Leser. Hartmut Lange ist ein Autor, der süchtig macht.
Hartmut Lange
An der Prorer Wiek und anderswo
Diogenes Verlag, Zürich 2018
Nachdenklich und skurril
Weil ihn der Chef des lokalen Golfplatzes nicht bezahlen will, steht Gärtner Schorsch mit seinem Betrieb vor dem Ruin. Das einzige, was ihm noch bleibt, ist sein altes Propellerflugzeug. Ausgerechnet darauf ist allerdings auch der Gerichtsvollzieher scharf. Doch Schorsch gibt nicht klein bei. Da die Ehe mit seiner Frau Monika sowieso auf Eis liegt und auch die Tochter nervt, steigt der alte Grantler kurzerhand in die Maschine und fliegt davon. Auf seiner Reise begegnen ihm die eigenartigsten Typen. So die junge Philomena, die im Ganzkörper-Häschenanzug durch die Gegend radelt und zu Hause ebenso unglücklich ist wie Schorsch bei den seinen. Und dann ist da noch die patente Hannah, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Schorsch erkennt, wenn er noch einmal richtig leben möchte, muss er sich für das Leben öffnen. Regisseur Florian Gallenberger schafft mit „Grüner wird’s nicht, sagte der Gärtner und flog davon“ einen Wohlfühlfilm mit Herz und Humor, der bis in die Nebenfiguren exzellent besetzt ist: Dagmar Manzel, Ulrich Tukur, Sunnyi Melles, Bernd Stegemann, Monika Baumgartner und nicht zuletzt die junge Emma Bading als Philomena flankieren einen hervorragend agierenden Elmar Wepper. Da geht man gern mal wieder ins Kino!
Grüner wird’s nicht, sagte der Gärtner und flog davon
Seit 30. August 2018 im Kino
Titelbild: pexels.com